Verhalten verstehen – Beziehung gestalten
Soziales Lernen, Körpersprache und emotionale Prozesse im Mensch-Hund-Team


Verhalten entsteht nicht isoliert – es ist Ausdruck innerer Prozesse.
Emotionen wie Angst, Frustration, Freude oder Motivation entstehen im Gehirn und werden durch Botenstoffe gesteuert. Diese emotionalen Zustände beeinflussen, wie ein Hund sich in bestimmten Situationen verhält.
Deshalb ist es für mich entscheidend, nicht nur das sichtbare Verhalten zu beurteilen, sondern zu verstehen, was den Hund innerlich bewegt – und wie wir darauf einwirken können, ohne ihn zu überfordern.

Körpersprache lesen – Stimmungen erkennen
Das Beobachten der Körpersprache und das Erkennen von Stimmungen ist wesentlich für ein harmonisches Zusammenleben und zur Vermeidung unnötiger Konflikte.
Situationen, die für uns Menschen harmlos wirken, können Hunde stark verunsichern – mit möglicherweise gefährlichen Abwehrreaktionen. Wer frühzeitig erkennt, was den Hund unter Druck setzt, kann rechtzeitig deeskalieren und Vertrauen aufbauen.

Bewegungsfreiheit als Voraussetzung für Entwicklung
In unserer heutigen Gesellschaft – durch Medien, gesetzliche Regelungen und teilweise auch durch Hundeschulen – wird der Bewegungsspielraum von Hunden zunehmend eingeschränkt. Diese Entwicklung hat gravierende Folgen für das Sozialverhalten.
Hunde haben immer seltener die Möglichkeit, sich frei zu bewegen, ihre Umwelt zu erkunden und soziale Erfahrungen zu machen. Ohne solche Erfahrungen fehlt ihnen die Gelegenheit, soziale Strategien im Umgang mit Konflikten zu entwickeln. Die Folge sind häufig Unsicherheit, Überforderung und unerwünschtes Verhalten wie Leinenaggression – was wiederum zu noch mehr Einschränkung führt. Ein Teufelskreis entsteht.

Was ist soziale Kompetenz – und wie entsteht sie?
"Soziale Kompetenz" beschreibt die Fähigkeit, eigene Ziele im sozialen Miteinander zu verfolgen, ohne die Interessen anderer Lebewesen zu verletzen. Das gilt für Menschen, Hunde und viele andere Tierarten.
Ein Hund kommt nicht mit sozialer Kompetenz zur Welt – er muss sie erst lernen. Wie sie sich zeigt, hängt vom Entwicklungsstand ab: Welpen verhalten sich anders als Junghunde, Hündinnen anders als Rüden.
Das Erlernen sozialer Kompetenz erfordert regelmäßige, vielfältige soziale Kontakte – mit anderen Hunden, Menschen, Tieren, an unterschiedlichen Orten, in wechselnden Situationen.

Lernen durch Erfahrung – nicht nur in der Welpengruppe
Die Fähigkeit zur sozialen Kommunikation wird zwar in den ersten Lebenswochen durch Mutter, Geschwister und Umwelt geprägt, kann aber später auch wieder verloren gehen. Wie bei einer Sprache hilft nur regelmäßige Anwendung, um Fähigkeiten zu erhalten und weiterzuentwickeln.
Deshalb reichen Welpengruppen zu Beginn des Lebens nicht aus. Ein Hund braucht ein Leben lang soziale Begegnungen – mit bekannten und fremden Hunden, verschiedenen Menschen, in wechselnden Umgebungen.
Nur so kann er lernen, in Konfliktsituationen angemessen zu reagieren – ohne Überforderung, ohne Hilflosigkeit, ohne aggressives Ausweichverhalten.

